Aus dem hohen Innovations- und Einsatzpotential des Rührreibschweißens erwächst eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für das Fügeverfahren FSW im Industriesektor. Um dieses Potential voll auszuschöpfen, konzentriert die SLV Berlin-Brandenburg ihre Tätigkeiten auf zwei Bereiche: zum einen auf die branchenübergreifende Ausweitung des Rührreibschweißens auf den Werkstoff Stahl, zum anderen auf die Entwicklung von industrietauglichen Werkzeugen für den Einsatz beim Rührreibschweißen.
Im Bereich der niedrigschmelzenden Werkstoffe wie z. B. Aluminium oder Magnesium hat das Rührreibschweißen bereits zu einer signifikanten Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Effizienz geführt, wie wir bereits im ersten Teil dieser Blogreihe ausgeführt haben. Wenn sich diese hohe Qualität der Schweißnähte und die geringeren Aufwände in der Vor- und Nachbereitung auch auf den Bereich des Werkstoffs Stahl übertragen lassen, dürfte dies das Interesse am Fügeverfahren FSW in vielen Industriesektoren wecken, bei denen lange Schweißnähte an großflächigen Bauteilen und Strukturen in Montagehallen vorkonfektioniert werden: Hierzu gehören der Schiff- und Fahrzeugbau, der gesamte Offshore-Bereich sowie der allgemeine Stahlbau.
Es sind nicht nur die bereits beschriebenen Qualitäts- und Quantitätseffekte, die das Rührreibschweißen für diese Wirtschaftszweige attraktiv machen, auch umweltpolitische Aspekte kommen hinzu. So trägt das Rührreibschweißen zu einer besseren Luftqualität bei, was einen erheblichen Image-Gewinn bedeutet.
Auch finanziell betrachtet bietet das FSW einige Vorteile: Da es ohne Zusatzwerkstoffe wie Schweißdrähte, Gase oder Pulver auskommt, sind die extremen Preissteigerungen der letzten Jahre in diesem Segment für das Rührreibschweißen unerheblich. Auch politische Maßnahmen wie die Einführung des Mindestlohns, die Begrenzung des CO2-Ausstoßes oder steuerliche Sanktionen, die zu einer Steigerung der Kosten pro Schweißnaht, Meter, Stunde oder Bauteil führen, betreffen das FSW weniger stark. Denn aufgrund der kürzeren Vor- und Nachbereitungszeiten und in Kombination mit einer akzeptablen Schweißgeschwindigkeit, können die Herstellungskosten von Schweißnähten maßgeblich gesenkt werden. Das erhöht die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere von kleineren und mittleren Unternehmen erheblich.
Versuche in der SLV Berlin-Brandenburg haben gezeigt, dass sich die Belastungen an der Maschine beim Rührreibschweißen von Stahl im absolut vertretbaren Toleranzrahmen halten. Das würde bedeuten, dass die Maschinen, die bereits zum Rührreibschweißen von Aluminium genutzt werden, sich auch vollkommen unproblematisch für Stahl einsetzen lassen. Eine Investition in neue Maschinentechnik muss also nicht geleistet werden. Auch extra Rüstzeiten ließen sich minimal halten durch gut konstruierte Spannvorrichtungen, die nicht mehr Zeit beim Wechsel der Werkstoffe in Anspruch nehmen als der Wechsel von Bauteilen beim konventionellen Schmelzschweißen.
Vielmehr sollte eine gezielte Weiterentwicklung der Rührreibwerkzeuge ins Auge gefasst werden, was die Wirtschaftlichkeit des FSW erhöhen würde. Zum einen durch längere Standzeiten der Werkzeuge, was zu einer Senkung der Materialkosten pro Schweißnaht führt, zum anderen durch den Einsatz von keramischen Werkzeugen, die so preiswert herzustellen sind, dass sich auch der Einsatz des Werkzeugs für nur eine Schweißnaht schon lohnt. Der Austausch der keramischen Einsätze nach jeder Schweißnaht würde gleichzeitig einer gleichbleibenden hohen Nahtqualität führen. Werden diese Einsätze als standardisierte Massenware produziert, senkt dies die Kosten beim Rührreibschweißen pro Schweißnaht weiterhin.
Neben dem niedrigeren Energieverbrauch der Schweißmaschine sind die Einspareffekte beim Rührreibschweißen vor allem im Umfeld der Maschine zu finden. So resultiert die Energieeffizienz vor allem aus der Verringerung der Nebenzeiten und dem Wegfall spezieller Nahtvorbereitungen. So liegt das Innovationspotential also nicht nur im Fügeverfahren selbst. Der Einsatz von standardisierten Werkzeugen für den ausschließlichen Einsatz am Stahl verbunden, mit einer Spezialisierung dieser Werkzeuge auf nur jeweils eine definierte Schweißnaht, versprechen weniger Verschleiß und weniger Abrieb in den Schweißnähten. Vor allem der Einsatz von keramischen Werkzeugen bietet hier viele Vorteile: Sie sind schneller verfügbar und erheblich preiswerter. Das macht das Rührreibschweißen von Stahl sowohl für kleinere und mittlere Unternehmen und die gesamte stahlverarbeitende Industrie attraktiv.
Das Fügeverfahren FSW stellt sich im Vergleich zu anderen Schweißverfahren also als wirtschaftlichere Technologie dar. Es werden zwar nicht zwangsläufig neue Geschäftsfelder erschlossen oder erschaffen, jedoch eröffnet die Möglichkeit, Mischverbindungen, wie z. B. Stahl-Aluminium, zu schweißen, neue Einsatzmöglichkeiten, die bisher von noch keinem anderen Schweißverfahren abgedeckt werden. Besonders interessant wäre das für die Bereiche Fahrzeug- und Schiffbau.
Außerdem hat sich gezeigt, dass das Rührreibschweißen als Fügeverfahren sehr hohe Potentiale in Bezug auf Ressourcen- und Energieeinsparung bietet, da es ohne Zusatz- oder Hilfsstoffe auskommt. Auch unter Umweltaspekten stellt dies einen großen Vorteil dar, da im Vergleich zu den schmelzflüssigen Fügeverfahren weniger Schlacken, Schweißnahtreste, Vor- und Nachbehandlungsabträge etc. erzeugt werden. Umweltbelastungen durch Legierungselemente und aufwändige Recyclingprozesse entfallen also. Insofern lässt sich das FSW als „Grünes Schweißverfahren“ bezeichnen, welches sich positiv auf die in Deutschland angestrebten Schadstoffziele auswirkt.
Die Verwendung von keramischen Werkzeugen beim Rührreibschweißen liefern außerdem spannende neue Erkenntnisse über das Werkstoffverhalten in Grenzbereichen. Dies wiederum kommt auch anderen Anwendungen in der Stahlverarbeitung zu Gute und generiert neue Anwendungsfelder und Absatzmärkte. Dies kann die nationale bzw. europäische keramische Industrie nachhaltig stärken und einen großen Beitrag zu deren Wettbewerbsfähigkeit liefern.
Schon jetzt besteht die Möglichkeit das Rührreibschweißen auch als automatisiertes Verfahren zu betreiben und somit einen großen Schritt in Richtung „Industrie 4.0“ zu gehen. Programme können extern eingelesen werden, die Maschine wählt anhand der Stahlsorte ein passendes Werkzeug mit entsprechendem Parametersatz aus und arbeitet so selbsttätig Kundenaufträge ab – der erste Baustein für die „intelligente Fabrik“ (Smart Factory). Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz sowie die Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse könnten im modernen FSW-Prozess zum festen Bestandteil werden.
Erfahren Sie mehr zum aktuellen Stand der Forschung und Entwicklung beim Rührreibschweißen in Teil 3 unserer Blogreihe.